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„Wir werden daher die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent sichern.“ So steht es in dem Papier, das SPD, Grüne und FDP am 15.10. 2021 als Ergebnis der Sondierungsverhandlungen veröffentlicht haben. Was bedeutet das für Ihre persönliche private Altersvorsorge?
2022 wird es für Rentner aller Wahrscheinlichkeit ein ordentliches Plus geben. Experten rechnen mit einer Rentenerhöhung von über vier Prozent. Und 2021 gab es immerhin keine Rentenkürzung, obwohl die Arbeitnehmereinkommen gesunken sind. Und nun scheint es so, dass das aktuelle Rentenniveau garantiert werden soll. Alles paletti bei der gesetzlichen Rente also? Ist es vielleicht doch nicht so wichtig, zusätzlich privat vorzusorgen? Von wegen. Wir erklären Ihnen warum eine zusätzliche private Vorsorge unentbehrlich ist.
Zunächst aber zum Stand der privaten Vorsorge. Kurz gesagt: Die Diagnose ist nicht erfreulich. 10,5 Millionen der damals knapp 30 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarben im Jahr 2019 nach Angaben des jüngsten Alterssicherungsberichts der Bundesregierung keinerlei Ansprüche auf zusätzliche Alterseinkünfte aus betrieblicher oder privater Vorsorge. Das sind mehr als 34 Prozent. Besorgniserregend ist zudem der Trend. Der 2016 vorgelegte Alterssicherungsbericht wies nur 30 Prozent Arbeitnehmer ohne zusätzliche Altersvorsorge aus. Das bedeutet: Die nachwachsende Arbeitnehmergeneration sorgt im Trend noch weniger vor als es die rentennahen Jahrgänge getan hatten.
Darüber hinaus zeigt der Bericht die bekannten Schieflagen: Je geringer das Arbeitseinkommen der Arbeitnehmer und je niedriger ihre berufliche Qualifikation ist, desto seltener wird zusätzlich fürs Alter vorgesorgt.
Private Vorsorge wichtiger denn je
Notwendig ist die zusätzliche Vorsorge nicht etwa, weil die gesetzliche Rentenversicherung unrentabel ist. Nach verlässlichen Berechnungen liegt deren Rendite zwischen zwei und drei Prozent – kann sich also sehen lassen. Doch das Rentenniveau ist bereits deutlich abgesenkt worden – und es wird künftig zumindest nicht weiter steigen. Zudem gilt: Wer in seinem Arbeitsleben überwiegend unterdurchschnittlich verdient hat, wird im Alter knapsen besonders knapsen müssen. Die gesetzliche Rente allein wird dann kaum reichen, um sich künftig öfter eigentlich selbstverständliche Extras leisten zu können – wie den Espresso im Eiscafe oder den Kinobesuch.
Die wichtigsten Absenkungen der Gesetzlichen fanden bereits im vorletzten Jahrzehnt statt – und zwar die so genannte Riester-Treppe. Dabei geht es um Folgendes: Der Gesetzgeber hat damals die so genannte Riester-Rente eingeführt. Danach wird die private Altersvorsorge durch Zulagen und durch Steuervorteile gefördert. Steuerlich absetzbar sind dabei bis zu vier Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens. Der Abschluss eines Riester-Vertrags ist zwar nach wie vor nicht verpflichtend. Doch beim Rentenniveau wurde die Riester-Vorsorge bereits „eingepreist“. Bei der Rentenhöhe wird also so getan, als ob alle Versicherten ihre Möglichkeiten zur privaten Vorsorge ausschöpfen. Das hat in den Nuller-Jahren zu mehreren „Nullrunden“ bei der Rente (also zum Ausbleiben einer Rentenerhöhung) geführt – und dazu, dass das vielfach von Politikern und Experten erwähnte „Rentenniveau“ von 53 auf 48 Prozent gesunken ist.
Rentenniveau – was ist das eigentlich?
Wichtig zu wissen ist, das es sich hierbei um eine statistische Messgröße handelt. Es bedeutet nicht, dass Rentner im Ruhestand 48 Prozent dessen erhalten, was sie vorher als Arbeitnehmer verdient haben. Das Rentenniveau ist das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten – und verglichen werden dabei jeweils die Netto-Werte ohne Berücksichtigung der Steuerabzüge. Da Rentner im Verhältnis weit weniger Steuern zahlen als Arbeitnehmer, würde das Rentenniveau bei Berücksichtigung der Steuerabzüge deutlich höher liegen – im Schnitt bei 55 bis 60 Prozent. Doch egal wie man genau rechnet: Es ergibt sich eine beträchtliche Versorgungslücke im Alter.
Versorgungslücke ausgleichen
Als Faustregel sagen Verbraucherschützer häufig: Rund 80 % des vorherigen Nettoeinkommens als Arbeitnehmer reichen im Rentenalter aus. Das heißt, wenn Ihr Einkommen vor der Rente netto 2.500 Euro betrug, benötigen Sie im Alter im Schnitt etwa 2.000 Euro. Das ist aber nur ein grober Wert. Wenn Sie beispielsweise in einer eigenen Wohnung leben und der Kredit für das Eigenheim bereits voll zurückgezahlt ist, können Sie im Alter vielleicht auch mit weniger auskommen. Doch auch dann müssen Sie natürlich Modernisierungs- und mögliche Kosten für den altersgerechten Umbau einkalkulieren.
Wenn Ihre eigene Rente im Alter 55 Prozent ihres vorherigen Nettoeinkommens ausgleicht, und sie ein Versorgungsniveau von 80 Prozent anstreben, müssen Sie den Rest durch private Vorsorge ausgleichen. Bei einer erwartbaren Rente von 1.375 Euro (= 55 Prozent von 2.500 Euro), müssten Sie also 625 Euro privat ausgleichen.
Besondere Gefahr für Teilzeiter und bei unterdurchschnittlichem Einkommen
Die Senkung des Rentenniveaus ist für diejenigen besonders bedrohlich, die unterdurchschnittlich viel verdienen und damit auch geringere Rentenbeiträge zahlen.
Ein Beispiel hierzu: Nehmen wir eine Krankenschwester mit einer 2/3 Stelle und einem Gehalt von 2.000 Euro brutto im Jahresschnitt, insgesamt also 24.000 Euro brutto. Das mag man angesichts der Arbeitsbelastung – gerade in Corona-Zeiten – und Verantwortung wenig finden, aber nach Armut sieht dies zunächst nicht unbedingt aus. Für die Rente ist aber jeweils der Vergleich mit dem Durchschnitt wichtig. Der durchschnittliche Rentenversicherte hat – Stand 2021 – ein Bruttojahreseinkommen von 41.541 Euro. Die Krankenschwester verdient (24.000/ 41.541 =) 57,77 Prozent dieses Durchschnitts. Für die Rente bedeutet das: Sie erwirbt derzeit in einem Beschäftigungsjahr 0,5777 Entgeltpunkte (EP). Und auf diese kommt es bei der Rente ja an. Würde sie 40 Jahre in etwa auf diesem Niveau – gemessen am Durchschnitt – verdienen, so hätte sie 23,11 Entgeltpunkte. Durch die neue Grundrente kämen weitere Ansprüchee hinzu. Die genaue Berechnung ersparen wir Ihnen. Hier nur soviel: Durch die Grundrente würden der Krankenschwester für 35 Versicherungsjahre jeweils knapp 0,2 EP zuerkannt – insgesamt 6,81 EP.
Mit einem Kind käme sie noch auf weitere 3 EP. Insgesamt hätte sie damit auf ihrem Rentenkonto 33 EP. Beim derzeitigen aktuellen Rentenniveau von 34,19 Euro käme sie damit heute auf eine Bruttomonatsrente von 1128 Euro. Netto würden davon nach dem Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung 1004 Euro bleiben. Klar wird die Rente der Krankenschwester künftig steigen, doch – relativ gesehen – wird ihre Rente sich etwa auf diesem Niveau bewegen.
Wenn man das mit der Grundsicherung im Alter – der Alterssozialhilfe – vergleicht, sieht man: Allzu viel über dem Sozialhilfeniveau würde eine solche Rente nicht liegen. In Großstädten wie München und Stuttgart würde man damit beim dortigen Mietniveau nicht über die Runden kommen.
Nun ist die Krankenschwester aus unserem Beispiel noch nicht im Rentenalter und in vielen Rentnerhaushalten gibt es mehrere Einkommen, doch die Rechnung macht deutlich: Besonders Arbeitnehmer, deren Einkommen in etwa auf dem im Beispiel skizzierten Niveau oder darunter liegt, sollten tunlichst privat zusätzlich fürs Alter vorsorgen.
Privat Vorsorgen – aber wie?
Bei der gesetzlichen Rente haben Arbeitnehmer keine Wahl. Sie sind versicherungspflichtig. Bei der privaten Altersvorsorge gibt es dagegen jede Menge Wahlmöglichkeiten. Das macht die Sache unübersichtlich und die Entscheidung nicht leicht. In Frage kommen vor allem Zusatzzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse (möglich ab 50 Jahren), die betriebliche Altersvorsorge und die Riester-Rente. Vor allem für Selbstständige und sehr gut verdienende Arbeitnehmer kann sich zudem die so genannte Rürup-Rente lohnen. Für viele Versicherte sollte jedoch – trotz aller Kritik – der Abschluss eines Riester-Vertrags die erste Wahl sein. Der Grund dafür sind die staatlichen Zulagen und bei sehr gut Verdienenden: die Steuervorteile.
Folgendes Beispiel zeigt, dass das Riester-Sparen gerade Familien mit niedrigem Einkommen enorme Vorteile bringen kann. Die alleinerziehende Jutta S. aus Freiburg ist gelernte Altenpflegerin und derzeit „hauptberuflich“ Mutter. Daneben jobbt sie als Verkäuferin in einem kleinen Buchladen, wo sie 450 Euro monatlich verdient, zusätzlich erhält Sie aufstokendes Arbeitslosengeld II. Weil Jutta. S. bei ihrem Minijob die Rentenversicherungspflicht nicht abgewählt hat, ist sie „riesterberechtigt“. Denn alle rentenversicherungspflichtig Beschäftigten haben Anspruch auf die staatliche Förderung privater Altersvorsorge. Jutta S. hat drei Kinder, die alle ab 2008 geboren wurden. Deshalb erhält sie für ihren Riester-Vertrag allein für die drei Kinder eine staatliche Zulage in Höhe von insgesamt 900 Euro jährlich. Hinzu kommt ihre Grundzulage von 175 Euro, insgesamt schießt der Staat also im Falle der Freiburgerin jährlich 1075 Euro zur Altersvorsorge zu. Sie selbst muss sich hierbei nur mit einem Sockelbetrag von 60 Euro beteiligen. Zur Erläuterung: Grundsätzlich gibt es die volle staatliche Zulage nur, wenn ein Riester-Sparer selbst vier Prozent seines Vorjahreseinkommens in seinen Sparvertrag einzahlt. Das wären bei Jutta S. 216 Euro. Denn sie hat im ganzen letzten Jahr bereits ihren Minijob ausgeübt und hat dabei (12 x 450 Euro =) 5. 400 Euro verdient. Die staatliche Zulage wird jedoch wie ein Eigenbetrag gewertet. Da die Zulage jedoch bereits höher ist als der nach der 4-Prozent-Regel berechnete Eigenbetrag, muss sie selbst nur den für alle Riester-Versicherten geltenden Mindestbetrag von 60 Euro einzahlen.
Jutta S. ist erst 35 Jahre alt und hat damit – wie Finanzexperten sagen – einen langen Anlagehorizont. Deshalb hat sie sich für einen Riester-Fondsparplan entschieden. Solche Verträge empfiehlt die Stiftung Warentest „vor allem jüngere(n) Kunden, die etwas mehr Risiko wagen. Sie können sich die hohen Renditechancen der Aktienfonds und Mischfonds zunutze machen.“ Die Warentester raten dabei jedoch die Entwicklung des Fonds im Blick zu haben und gegebenenfalls die Reißleine zu ziehen und das Geld in weniger risikoreiche Anlageformen umzuschichten.
Jutta S. gehört zu den wenigen Geringverdienern, die einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben. Das liegt sicher auch am niedrigen Einkommen der Betroffenen. Doch viele befürchten zudem, dass sie mit ihrer gesetzlichen Rente ohnehin allenfalls knapp das Sozialhilfeniveau erreichen werden. Vom Riester-Vertrag würde dann in erster Linie das Sozialamt profitieren. Jeder Euro Riester-Rente würde einen Euro weniger Grundsicherung im Alter bedeuten. Ein Nullsummenspiel. Warum dann also vorsorgen?
Doch diese Befürchtung ist inzwischen unbegründet. Durch das Betriebsrenten-Stärkungsgesetz wurde nämlich ein Anrechnungsfreibetrag für Betriebs-, Riester- und Basisrenten sowie sonstige private Renten eingeführt worden. Der Freibetrag gilt auch für den Teil der gesetzlichen Rente, der auf freiwilligen Beiträgen beruht. Es werden monatlich Beträge bis maximal zur Höhe des halben Regelbedarfs – derzeit also bis zu 223 Euro (gilt für 2021)– anrechnungsfrei gestellt werden. Gerade für Frauen, die lange Zeit Teilzeit gearbeitet haben, kann dies ein Startschuss zum Abschluss eines Riester-Vertrages sein.